Unser Selbstverständnis

Dies ist das Selbstverständnis des Anarchistischen Kollektivs Hannover, in dem wir uns, unsere Werte und Überzeugungen, mögliche Aktionsformen und Struktur bzw. erforderliche Prozesse kurz umreißen möchten. Wir lernen stets dazu, weshalb dieses Dokument bitte nicht als unumstößlich oder verbindlich verstanden werden soll.

Wer wir sind
Wir sind Menschen aus Stadt und Region Hannover, die sich gerne mit anderen Anarchistinnen vernetzen wollen. Zwar gibt es einige antiautoritäre und anarchistische Gruppen in Hannover, diese haben aber einen stark festgelegten Fokus oder sagen uns bezüglich der Aktionsformen nicht zu. Dazu kommt die Erfahrung einiger Mitstreiterinnen, dass es durchaus schwierig sein kann, in Hannover Anschluss an andere Anarchistinnen zu finden. Wir wollen daher eine Alternative schaffen, welche vergleichsweise offen der Vernetzung von Anarchistinnen dient. In unseren Kreisen gibt es Menschen, die bei ganz verschiedenen antiautoritären linkspolitischen Organisationen tätig sind. Das ist explizit gewünscht und ermöglicht es uns auch uns in eine Art Vermittlerrolle zu begeben. Ebenso haben unsere Mitstreiterinnen unterschiedliche Vorstellungen vom Anarchismus bzw. verschiedene bevorzugte anarchistische Strömungen – auch das möchten wir fördern und uns stetig über verschiedene Ideen und Impulse austauschen, denn als Anarchistinnen erkennen wir, dass Revolution ein Prozess ist, in dem sich erst die beste Organisationsform herausstellen wird.
Was wir wollen
Unser Ziel ist eine sich selbst befreiende und emanzipierende Gesellschaft. Dafür treten wir dem kategorisch unfreien Staat entgegen und propagieren die Selbstverwaltung. Anstelle der Unterdrückung der „Nicht-Habenden“ durch die „Habenden“ setzen wir auf freiwillige Kooperation zwischen den Menschen, der freien Gestaltung menschlicher Beziehung zu beidseitigem Vorteil. Hierarchien sehen wir als grundsätzlich unfreiwillig und gesellschaftsschädigend an. Dort wo z.B. für administrative Prozesse oder wegen der Fähigkeiten oder des Wissens einzelner Menschen Mandate bestehen können Hierarchien entstehen; dem ist entgegenzuwirken, z.B. durch die ständige Abrufbarkeit aller Mandatsträgerinnen. Wir erkennen, dass die aktuellen Zustände Menschen in Armut, Hunger und letztlich auch Kriminalität drängen. Das System der Strafverfolgung und des Strafvollzugs mit allen seinen Organen ist daher zu überwinden. Den wenigen Täterinnen, deren schädliches Verhalten nicht auf die Zustände im Kapitalismus zurückzuführen sind, gilt es mit einer wehrhaften Gesellschaft entgegenzutreten und ihnen im Interesse aller dazu zu verhelfen, schädliches Verhalten zu überwinden.
Wir möchten die Menschen dazu ermutigen, sich mit ihrer eigenen Befreiung auseinanderzusetzen. Dafür bedarf es einer soliden theoretischen Basis, welche in der Praxis an unsere Mitmenschen vermittelt werden kann.
In unserem Handeln und unserer Organisation leben wir insbesondere die nachfolgenden Werte:

  • Egalitarismus
    Wir sehen den Kapitalismus als Unterdrückungsmechanismus weshalb wir kapitalistische und neoliberale Ideen ablehnen. An dessen Stelle streben wir Egalitarismus an, die soziale Gleichheit.
  • Internationalismus
    Wir als Anarchist*innen möchten Nationalismus und andere gesellschaftlich abschottende Tendenzen überwinden und an ihrer Stelle die Internationalität und Offenheit fördern; wir kritisieren somit auch die Nutzung von Hoheitszeichen oder Länderfarben und wünschen uns ultimativ eine Welt ohne Grenzen.
  • Antifaschismus
    Wir stellen uns faschistischen Tendenzen in der Gesellschaft entschlossen entgegen.
  • Antirassismus
    Wir sehen Rassismus als ein strukturelles Problem an, dessen Überwindung unser Ziel ist. Deshalb dulden wir keinerlei Rassismus in unserer Gruppe oder unserem Umfeld, sowohl dem politischen als auch privaten.
  • Feminismus und LGBTQIA-Positivität
    Wir sehen alle Menschen unabhängig ihrer Geschlechtsidentität sowohl im Sinne des englischen „sex“ als auch „gender“, oder ihrer Sexualität als gleichwertig an. Da aber cis- Männer in unserer patriarchalen Gesellschaft Privilegien insbesondere gegenüber LGBTQIA Menschen und FLINTA* genießen, setzen wir uns dafür ein, die vorgenannten, marginalisierten Gruppen besonders zu unterstützen und zu schützen.
  • Gewaltfreiheit
    Wir lehnen staatlich legitimierte und somit legale Gewalt seitens Polizei, Militär und anderen Institutionen ab, denn dieses Gewaltmonopol wird für die Verteidigung von Kapitalinteressen und Menschenverachtung eingesetzt; wir sehen diese Gewalt als illegitim an. Militanz seitens der für Freiheit und Menschenrechte Kämpfenden bewerten als notwendig um an dem menschenverachtenden Status Quo etwas zu ändern; wir sehen militanten Widerstand als legitimes Mittel an. Als Gruppe führen wir keine gewaltsamen Aktionen durch.
  • Autonomie
    Wir lassen uns in unserem Handeln nicht von außen beeinflussen und sind partei- und organisationsunabhängig. Das soll in keiner Weise in Ignoranz gegenüber konstruktiver Kritik übergehen und wir bitten explizit um Feedback.
  • Konsensfindung
    Wir treffen Entscheidungen im Konsens wo immer möglich. Kann die Gruppe keinen Konsens bilden, so treffen wir Entscheidungen basisdemokratisch im Kollektiv; jede*r Aktive hat das gleiche Stimmrecht und allen steht es frei sich einzubringen und dem Kollektiv Vorschläge zur Diskussion und Abstimmung zu unterbreiten. Mandate können jederzeit durch einfache Mehrheit entzogen werden.
  • Klassenkampf
    Im Kapitalismus besteht eine ungleiche Machtverteilung zwischen einigen Wenigen, die über Produktionsmittel verfügen und den übrigen Lohnabhängigen, die dazu gezwungen sind ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Deshalb sehen wir Klassenkampf als notwendiges Mittel an, um dieses ausbeuterische System zu überwinden und eine inkludierte Gesellschaft frei von Klasse zu errichten.

Was wir tun
Wir sehen uns als Gruppe mit vielfältigen Aktionsfeldern an. Einerseits möchten wir füreinander und miteinander Freizeitaktivitäten bieten und Räume zum Austausch, zur Vernetzung und zum Wissenstransfer schaffen. Diskussionen theoretischer Grundlagen und aktueller Geschehnisse bieten uns Möglichkeiten fortlaufender Reflektion und wertvolle Impulse. Gleichzeitig werden wir nach Außen in Erscheinung treten und sehen es insbesondere als unsere Aufgabe, den Anarchismus und seine Kernwerte verstärkt in die Öffentlichkeit, außerhalb linker Kreise, zu tragen. Ein Fokus dabei ist, nicht-radikalisierte Menschen zu erreichen und wenn auch nicht unbedingt zu rekrutieren, doch dem Anarchismus ein besseres Gesicht zu verleihen, als das was die großen Medienhäuser vermitteln. Darüber hinaus möchten wir anarchistische Werte leben und Menschen, die weder von Staat noch der Zivilgesellschaft Hilfe erfahren unterstützen. Innerhalb linker Kreise möchten wir unterstützend in Bündnissen oder auf Demonstrationen tätig werden.
Wie wir organisiert sind
Unsere Gruppe ist grundsätzlich allen Interessierten offen. Wir arbeiten an verschiedenen Themen und Menschen können sich je nach Interesse einbringen und ihre eigenen Ideen mitbringen und mit unserer Gruppe umsetzen. Dabei arbeiten wir grundsätzlich ohne Hierarchien und treffen Entscheidungen, wenn Entscheidungen getroffen werden müssen, im Konsens, (oder wo nicht möglich basisdemokratisch mit absoluter Mehrheit mit den Menschen,) die an einem Thema, einer Aktion, Arbeitsgruppe, etc. mitarbeiten, oder allen aktiven Mitstreiterinnen bei Entscheidungen die das gesamte Kollektiv betreffen. Zum Schutz vor Missbrauch und aus Effizienzgründen haben manche Menschen Mandate, wie z.B. Zugänge zu unseren verschiedenen Kommunikationskanälen. Aktuell sind das drei Menschen, die an der Gründung des Kollektivs beteiligt waren. Diese Mandate sind per absoluter Mehrheit entziehbar und können dann per einfacher Mehrheit an aktive Mitstreiterinnen vergeben werden. Immer mind. zwei Personen müssen Zugang zu den Kommunikationskanälen haben.
Woran wir noch arbeiten müssen
Unsere Gruppe hatte bei Gründung ein Ungleichgewicht hin zu weißen Menschen und auch (cis-)Männer waren leicht überrepräsentiert. Wir sind uns bewusst, dass auch wir in unseren Strukturen den gesellschaftlichen Rassismus und Sexismus spiegeln und BIPoC-Menschen oder FLINTA* ggfs. unterrepräsentiert sind. Wir reflektieren unser Verhalten und unsere Strukturen dahingehend und möchten alle dazu einladen, uns Kritik mitzuteilen und sich gerne zu engagieren und unsere Gruppe diverser zu machen.

Zögert nicht, mit uns in Kontakt zu treten, wenn ihr interessiert seid, oder Fragen habt.


Solidarische Grüße,
Das AK Hannover